Interview Anika Oppermann: „Bestatter sind die humorvollsten Menschen“
In den letzten Jahren sind Bestatter immer mehr in den Fokus von Film und Fernsehen gerückt. Die Folge: der Beruf ist zum Trendberuf geworden. Die mediale Darstellung geht dabei aber oftmals sehr in eine Richtung: männlich, mittleres bis höheres Alter, stets souverän, eher still und immer pietätvoll.
Doch auch immer mehr junge Frauen führen den Beruf mit viel Leidenschaft und Offenheit aus. Zwar ist der Beruf oft traurig, bringt aber auch viel Freude und Anerkennung. Und als junge Bestatterin hat man spätestens nach der Frage „und was machst du so?“ auf einer Party die volle Aufmerksamkeit.
So ergeht es manchmal auch Anika Oppermann. Sie ist vor kurzem von Berlin nach Hamburg gezogen und arbeitet seitdem im Hamburg Leuchtfeuer Lotsenhaus als Bestatterin. Dass sie sich so gut aufgenommen fühlt, liegt vor allem an dem tollen Umgang unter ihren Kollegen und vermutlich auch an dem geborgenen und gemütlichen Ambiente, das das Lotsenhauses ausstrahlt. Warum der Beruf keineswegs nur ein trauriger Beruf ist, hat sie uns in einem persönlichen Interview erzählt.
Wie bist du zum Beruf der Bestatterin gekommen?
Ich wollte keine stupide Bürotätigkeit machen. Glücklicherweise habe ich ein Angebot bekommen, die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft zu absolvieren. Also habe ich erstmal ein dreimonatiges Praktikum gemacht, um herauszufinden, ob mir das liegt. Da ich keine Berührungsängste hatte, habe ich das Angebot auch direkt angenommen. Außerdem war ich wirklich fasziniert von der Vielseitigkeit des Berufes. Die ganze Organisation, der kreative Part, die Beratung, der Kontakt mit Menschen – das deckt viele Bereiche ab.
Für dich Berufung oder Beruf?
Eindeutig Berufung! Ich würde nie wieder etwas Anderes machen wollen. Ich bin mir meiner Arbeit sehr sicher. Es gibt sehr viele Vorurteile um das Berufsbild. Natürlich bestimmt viel Trauer den Berufsalltag. Aber deshalb weinen wir ja nicht den ganzen Tag. Bestatter sind die humorvollsten Menschen, die ich kenne! Meine Kollegen und ich lachen sehr viel zusammen.
Kann es sein, dass Humor eine Art der Bewältigungsstrategie ist?
Vielleicht bei manchen… Ich aber war schon immer ein Mensch, der gerne lacht. Mir ist es eher wichtig, dass man über seine Bestattungsaufträge reden kann. Das hilft mir insbesondere bei einer sehr intensiven Begleitung, es zu verarbeiten.
Macht ihr regelmäßig Coachings oder Supervisionen?
Wir machen eigentlich jeden Tag Supervision im kleinen Rahmen. Meine Kollegen und ich fragen uns mehrmals am Tag „wie geht’s dir?, Wie war’s? Alles okay?“. Vor allem bei Sterbefällen, die für die Familie sehr unerwartet kamen, hilft es mir im Anschluss mit Jemandem darüber zu reden. Wir stützen uns gegenseitig und das heißt auch, dass ein Kollege, einem auch mal kurzfristig was abnimmt, wenn man gerade aus einem schweren Gespräch mit einem Angehörigen geht. Das kann und will ich nicht in mich hinein fressen oder mit mir selbst ausmachen. Meistens reicht einfach nur ein offenes Ohr, jemand der zuhört. Der kollegiale Austausch hilft mir häufig am meisten. Darüber hinaus haben wir auch jederzeit die Möglichkeit an Coachings und Supervisionen teilzunehmen.
Wenn es mal ganz schwierig ist, haben wir auch zwei TrauerbegleiterInnen im Haus, die entweder einfach für uns da sind oder uns einen verlässlichen Kontakt geben. Das sind Experten, die wissen, was einem am besten hilft.
Hat dich die Ausbildung gut auf den Beruf vorbereitet? Oder gibt es etwas, das dir an Inhalten oder Themen gefehlt hat?
Ja, eigentlich schon. Die Ausbildung ist so umfangreich und vielseitig wie der Beruf der Bestatterin.
Da in so kurzer Zeit natürlich nicht sehr viel Zeit ist um bei allen Themen in die Tiefe zu gehen, konnte vieles natürlich nur angeschnitten werden. Ich persönlich finde vor allem in Bezug auf Trauerpsychologie 2 Wochen Unterricht zu wenig. Ich hätte mir da noch mehr Hilfe in Bezug auf psychologische Hilfestellungen gewünscht. Nicht nur in Bezug auf „wie gehe ich mit der Familie um?“, sondern auch in Bezug auf mich selbst und was der Beruf mit mir macht. Im Prinzip auch „wie kann ich mir selbst helfen?“.
Was braucht es noch, um eine (gute) BestatterIn zu werden?
Es muss schon eine gewisse Grundhaltung da sein. Einfühlunsgvermögen, eine gewisse Menschenkenntnis und die Fähigkeit zu zuhören, sollten schon vorhanden sein. Man lernt allerdings im Laufe der Zeit, sich auf die Menschen und ihre individuellen Lebensgeschichten einzustellen.
Außerdem kann ein gewisses Multi-Tasking-Talent sicher nicht schaden…
Was für Erfahrungen hast du in Bezug auf dein Geschlecht in der Branche gemacht?
Da hatte ich bisher noch keine wirklich schlechten Erfahrungen. Klar, wenn zwei Bestatterinnen bei einer Überführung erscheinen, kann das für manche erstmal ein ungewohntes Bild sein. Das war auch eher in ländlichen Gebieten zu Beginn meiner Ausbildung schwierig. Wenn man dann aber alles professionell ausführte und seine Arbeit gut machte, war das schnell wieder vergessen. Seit dem sind aber über 10 Jahre vergangen und ich finde, dass sich in der Branche auch viel in der Hinsicht getan hat.
Es gibt jedoch Bestattungsaufträge bei denen ich als junge Frau in der Beratung einfach nicht der richtige Gesprächspartner bin und es einfach besser passt, wenn sich ein älterer männlicher Kollege kümmert. Zum Beispiel wenn ein Mann seine junge Frau verloren hat und durch mich daran erinnert wird, dass sie zu jung verstorben ist. Das kann aber natürlich anders herum auch immer vorkommen.
Was ist für dich die wichtigste Errungenschaft der Digitalisierung, die dir in deinem Alltag hilft, den Überblick zu bewahren?
Für mich persönlich sind es Technologien, wie eure Bestattersoftware, die mir jederzeit zur Verfügung stehen und mir Unabhängigkeit in meinem Alltag ermöglichen. Außerdem finde ich es gut, dass wir nun Vieles digital und ohne viel Papierkram erledigen können. Ich kann mir manchmal gar nicht mehr vorstellen, wie viel Zeit früher für diese ganze Zettelwirtschaft, noch zu Beginn meiner Ausbildung, draufgegangen ist.